Charte
der Stadt Wetter, 1752 (Kopie von 1868)
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"Wetter,
ein kleines unansehnliches Städtchen..."
In
seiner "Beschreibung des
Kurfürstentums Hessen" von 1842 nennt der
kurfürstliche
Archivar Georg Landau aus Kassel Wetter ganz unverblümt "ein kleines unansehnliches
Städtchen an der Wettschaft, (...)". Landau
kannte sich in Hessen gut aus; auf Forschungs- und Erkundungsreisen
galt sein besonderes Interesse dem Oberlahngau. Doch der Besucher
erkennt auch: "das
ausgezeichnetste Gebäude zu Wetter ist die ehemalige
Stiftskirche,
ein schönes gotisches Gebäude".
Das ehemals
größte
Bauwerk von Wetter erwähnt Landau mit keinem Wort; die
Stadtmauer
ist 1842 schon soweit abgetragen, daß sie dem
auswärtigen Betrachter nicht mehr ins Auge fällt. Er
vergißt allerdings nicht zu erwähnen, daß
die Stadt im
Laufe ihrer
jüngeren Geschichte durch "Seuchen und Krieg (...) mehrfach
schrecklich verwüstet" worden ist. 1372 und 1416 war die Stadt
niedergebrannt, 1622 hatte es zwei Feuersbrünste gegeben,
1626
erlitt Wetter erneut einen großen Feuerschaden. Dazu hatte
die
Stadt durch Pest und Kriegsereignisse einen beträchtlichen
Teil der
Bevölkerung eingebüßt. Kaum war 1648
Frieden
eingekehrt, verwüstete am 31. 3. 1649 ein weiterer
Großbrand
die Stadt
in vorher nicht gekanntem Ausmaß. Von den ehemals 400
Häusern standen danach nur noch Kirche, Pfarrhaus und vier
Häuser am
Markt. Von den 206 Familien gegen Ende des 16. Jhdts. waren 1650 nur
noch 61 verblieben. "Die Stadt Wetter war früher
bevölkerter,
als sie es gegenwärtig ist", stellt er fest und weist damit
darauf
hin, daß sich Wetter auch nach zwei Jahrhunderten nicht
wirklich
von den Verlusten des 17. Jhdts. erholt hatte.
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Zum
Schluß seiner Angaben zu Wetter erfährt der
Leser noch, wie viele
Häuser (213) und Einwohner (1409) Wetter 1842 hat.
Bei
"3000 Äckern Pflugland" verwundert es nicht, daß
"beinahe
alle Bewohner
(...) Ackerbauer" sind; ..."von den Gewerben verdient nur eine kleine
Maschinenpapier-Fabrik Erwähnung".
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Großen
Respekt zollt Landau der
"Schule im Stifte zu Wetter", in der eine
"Reihe der gelehrtesten Männer gebildet"
worden war.
Er nennt u. a. die Namen
Johannes Pincier, Wiegand Orth und
Justus Vultejus. Dessen Sohn, der große
Rechtslehrer Hermann Vultejus (links)
wurde vom Kaiser sogar in den Adelsstand erhoben. Bekannte Nachkommen
von Justus Vultejus sind der ehemalige
Bürgermeister von Berlin, Ernst
Reuter,
und der Zoologe und
Philosoph
E.
Haeckel.
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Stadtplan
Der
historische Stadtplan
von 1752, die
im Staatsarchiv Marburg verwahrte CHARTE der Stadt Wetter,
wurde von dem Landvermesser
Engelhard Rudolphi eigentlich als Katasterkarte angefertigt. Bei
näherem Blick auf die Details erkennt man die jedem
Grundstück beigegebene vierstellige Nummer. Das zur Karte
gehörige, von
der Stadt geführte Steuerverzeichnis listet bebaute und
unbebaute
Grundstücke und die darauf entrichteten Abgaben auf und nennt
die
Namen der Eigentümer. Auffällig ist der
herzförmige Grundriß
der
Stadt
innerhalb ihrer zu dieser Zeit noch intakten Mauern; umgeben ist sie
von einem breiten
Gürtel
parzellierten Grün- und Ackerlandes. Dem großen
Brand vom 31. 3.
1649 war bis auf vier Häuser am Markt, die Kirche und
umliegende
Gebäude sowie Anwesen zwischen Mönchtor und Untertor
die
gesamte Bebauung
zum Opfer gefallen. Eine große Zahl der beim Wiederaufbau
errichteten Häuser ist erhalten, die Kleinteiligkeit der
Grundstücke
wurde auch später beibehalten.
Die
Straßenführung ist bis heute weitgehend
unverändert. So
hat
die Innenstadt ihr ursprüngliches Bild im Kern erhalten
können.
Die umfangreiche Sanierung vieler Häuser
hat die
Wohnqualität
in den letzten Jahren grundlegend verbessert und die Renovierung der
Fassaden
das
Erscheinungsbild erheblich aufgewertet.
Das
Herausputzen der
"Schauseiten" der alten Innenstadthäuser
ist keine Erscheinung erst unserer Zeit. In Erwartung z. B. des
Grenzegangsfestes fingen die Eigentümer schon
frühzeitig an, die Gerüste der Maler an ihren
Häusern aufstellen zu lassen. Hatte
der Nachbar vielleicht noch gezögert, es den anderen gleich zu
tun, konnte es sein, daß die Gerüste oft noch kurz
vor dem Fest auch bei ihm aufgestellt wurden, wenn zu sehen war, wie
schön die alte Fassade des Nachbarhauses nach dem Anstrich
glänzte. Keiner wollte schließlich dem anderen
nachstehen.
Viele der Häuser, deren Fachwerk heute den
Betrachter erfreut, waren, wie auf alten Photos zu sehen, vor hundert
Jahren verputzt. Um
den Häusern in den Städten Kurhessens ein
einheitliches,
klassizistisches Aussehen zu verleihen, hatten die Baubehörden
im Laufe des 19. Jhdts. darauf gedrungen,
das Fachwerk zu überdecken. Dabei war
die Verkleidung mit Schindeln wegen der
unzureichenden Langlebigkeit des Holzes und der Brandgefahr nicht
gern gesehen. Hingegen erblickte man im Verputzen von Fachwerkbauten
mit Strohkalk auch einen wirksamen Witterungs- und Brandschutz.
Doch
hatte hier ein Umdenken eingesetzt. So konnte Ernst Sangmeister
in seinem Heftchen "Alt-Wetter" zum Grenzegang 1924
schreiben: "Gerade in den letzten Jahren hat sich in der
Bürgerschaft erfreulicher Weise das Bestreben gezeigt, ihre
Häuser wieder im Stile der Fachwerkbauten restaurieren zu
lassen, wovon die vom Schäferheiner (Haus Nr. 16, Marktplatz
8), Küfer Schmidt (Haus Nr. 17, Marktplatz 9), Reinhard
Gausmann (Haus Nr. 154, Fuhrstraße 11), Stadtrat Detsch u. a.
ein schönes Beispiel geben."
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Stadtbefestigung
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