Ernst Reuter wurde am 29. Juli 1889 in der nördlich
von Flensburg gelegenen, damals zu Preußen und heute zu Dänemark
gehörenden Kleinstadt Apenrade (heute Aabenraa) geboren. Sein Vater war
Lehrer an einer Navigationsschule der Handelsmarine. Nach dem Abitur
1907 am Gymnasium in Leer (Ostfriesland) ging er nach Marburg, um dort
Philosophie und Sozialwissenschaften zu studieren. 1909 wechselte er an
die Universität nach München, wo er erstmals mit den Ideen des
Sozialismus in Berührung kam. Im Herbst 1910 kehrte er nach Marburg
zurück und legte dort 1912 das Staatsexamen ab.
Anschließend arbeitete Ernst Reuter zunächst als Privatlehrer in
Bielefeld. Hier schloss er sich der SPD an. Kurz darauf ging er zum
SPD-Parteivorstand nach Berlin, wo er eine Anstellung beim Zentralen
Bildungsausschuss fand. Er engagierte sich als Pazifist, gründete mit
Gleichgesinnten den Friedensbund "Neues Vaterland" und verfasste
Antikriegsschriften. Als Reaktion darauf wurde Ernst Reuter 1916 in die
kaiserliche Armee eingezogen. Er tat als Feldjäger Dienst an der
Ostfront, wurde schwer verwundet und geriet in russische
Gefangenschaft. Im Gefangenenlager lernte er russisch, schloss sich
unter dem Eindruck der Februarrevolution den Bolschewiki an und wurde
im Dezember 1917 von Lenin zum Volkskommissar der Wolgadeutschen
Republik ernannt. Doch schon im November 1918 kehrte Reuter nach
Deutschland zurück. Er trat der KPD bei und wurde 1920 Erster Sekretär
der Stadtorganisation Berlin. Bereits im Januar 1922 schloss ihn die
KPD aus; noch im selben Jahr kehrte Reuter in die SPD zurück.
Nach einer Redakteurstätigkeit bei der SPD-Zeitung "Vorwärts" übernahm
er 1926 im Berliner Magistrat das Verkehrsressort. 1928 setzte er die
Fusion der zuvor selbständigen Betriebsgesellschaften für Hoch- und
Untergrundbahnen, Straßenbahnen und Omnibusse zur "Berliner
Verkehrs-Aktien-Gesellschaft" (BVG) durch, dem damals größten
Nahverkehrsunternehmen der Welt. Von 1931 bis zur Machtübernahme durch
die Nationalsozialisten amtierte Reuter als Oberbürgermeister von
Magdeburg; zugleich gehörte er der SPD-Fraktion im Reichstag an. Nach
mehreren Festnahmen kam Ernst Reuter erst durch eine Intervention
englischer Freunde aus der KZ-Haft frei und konnte über die Niederlande
und Großbritannien in die Türkei emigrieren. Dort arbeitete er zunächst
als Berater in Verkehrs- und Tariffragen für die türkische Regierung;
ab 1938 wirkte er als Professor für Städtebau und Stadtplanung an der
Verwaltungsakademie in Ankara.